Lesung: "Die verratene Generation"
Rolle der Frauen im vergangenen Kriegsgeschehen wird thematisiert
Der Historiker Dr. Christian Hardinghaus, der auf dem Gebiet der Propaganda- und Antisemitismusforschung promovierte, liest am Montag, 6. Mai 2024, um 19.30 Uhr im kult Westmünsterland in Vreden, Kirchplatz 14, aus seinem Buch „Die verratene Generation – Gespräche mit den letzten Zeitzeuginnen des Zweiten Weltkriegs“ und lässt damit 13 Frauen aus der damaligen Zeit sprechen. Sie gelten als „verratene Generation“, weil sie erst von den Nationalsozialisten für ihre Zwecke instrumentalisiert, nicht wenige unmittelbar nach dem Krieg Opfer von Vergewaltigungen wurden und bis heute als vermeintliche Mittäterinnen eines Verbrecherregimes gebrandmarkt werden. Historisch umfassend widerlegt Christian Hardinghaus an diesem Abend Vorurteile und appelliert an ein Überdenken der heutigen Erinnerungskultur. Im Anschluss an seine Lesung geht er außerdem auf die Rolle der Frauen in aktuellen Kriegsgeschehen ein. Der Eintritt zur Lesung ist frei, allerdings wird um eine Anmeldung beim kult unter der Telefonnummer 02861/681-1415 gebeten. Die Veranstaltung ist eine Kooperation zwischen dem kult, der Bücherei St. Georg in Vreden, der Gleichstellungsbeauftragten des Kreises Borken und der Stadt Vreden.
Der Großteil der zivilen Opfer im Zweiten Weltkrieg war weiblich. Gleichwohl wurde in der Wissenschaft eher wenig über die Rolle der Frau im Nationalsozialismus sowie über ihren Einsatz im Krieg geschrieben. Dabei zwangen die Nationalsozialisten, obwohl dies im Widerspruch zu ihrer eigenen Ideologie stand, beinahe jede deutsche Frau in den Kriegsdienst. Millionen Frauen schufteten damals in der Rüstungsindustrie, 1,5 Millionen standen als Wehrmachtshelferin, Kriegshilfsdienstmaid oder Lazarettschwester mitten im Kriegsgeschehen. Zudem zitterten die Frauen Nacht für Nacht in Luftschutzkellern um ihr Leben, viele wurden verletzt und trauerten um ihre gefallenen Ehemänner. Sie waren auch in den Kriegswirren und in der unmittelbar anschließenden Zeit von Vergewaltigungen. Wenn sie die Kriegsgeschehnisse überlebt hatten, waren sie es, die die Trümmer beseitigten. Bis heute leiden diese Frauen an unverarbeiteten Kriegstraumata, für die sich zu wenige ihrer Nachkommen interessierten.
Die Lesung findet bewusst in der Woche des „Tages der Befreiung“ statt. Er ist der Gedenktag zum Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945 und der bedingungslosen Kapitulation der Nationalsozialisten. „Es ist aktuell wichtiger denn je, Gedenktage wie den ‚Tag der Befreiung‘ zum Anlass zu nehmen, an die Opfer der damaligen grausamen Verbrechen zu erinnern und das Thema Antisemitismus und jede weitere Form der Diskriminierung in den Blick zu nehmen und zu verurteilen,“ begründet Ute Isferding, zuständige Mitarbeiterin im kult.